Prof. Dr. Carl-Hans Hauptmeyer
Historisches Seminar, Leibniz-Universität Hannover
Alle sprechen von der Weltausstellung 2010 in Shanghai. Aber wer erinnert sich an die EXPO 2000 in Hannover? Was also prägt das Image einer Stadt? Welche historischen Faktoren spielen dabei eine Rolle? Der Norden Deutschlands wurde erst spät, im 9. Jahrhundert, in den christlich-spätantik geprägten Kulturkreis einbezogen. In welchen Stufen entwickelten sich hier die Städte seit dem Mittelalter? Welche historischen Strukturbedingungen und welche Ereignisse förderten Entwicklungsschübe? Können historische Großereignisse wie eine EXPO tradierte Muster verändern?
Über den Vortragenden:
Jahrgang 1948, studierte Geschichte, Geographie und Politische Wissenschaft. Er lehrt seit 1981 am Historischen Seminar der Leibniz Universität Hannover. Arbeitsschwerpunkte: Theorie und Anwendung der Regionalgeschichte, Stadtgeschichte, Geschichte ländlicher Räume, Wirtschafts- und Sozialgeschichte Niedersachsens, Geschichte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit.
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Diskussionsanstöße
Projekte und Beispiele von der Expo 2000
Die zentrale Aussage von Prof. Dr. Hauptmeyer in seinem Vortrag „Hannover und die EXPO 2000“ war, dass eine zentrale Veranstaltung wie die Weltausstellung nur wenig Einfluss auf die Stadtentwicklung hat. Hannover konnte von einem Modernisierungsschub profitieren, der die städtischen Strukturen (zum Beispiel das S-Bahn-Netz) verbesserte; darüber hinaus gibt es nur einige bauliche Komplexe, die langfristig an die Expo 2000 erinnern werden. Diese können hier vorgestellt und diskutiert werden.
November 23, 2010 at 1:00 pm
Na ja, für Hannover kann ich es nicht sagen, da kenne ich micht nicht aus. Aber für Ulm kann man schon festhalten, dass die EXpo 2000 in Hannover etwas gebracht hat:
Und zwar die – zumindest zum damaligen Zeitpunkt – größte Passivhaussiedlung der Welt. Es wurden hier auf einem geeigneten Gelände insgesamt 110 Wohneinheiten (zumeist Reihenbauweise) geplant und bis zum Jahr 2000 war auch mehr als die Hälfte fertig. Stapften interessierte Expo-Besucher im Jahr 2000 noch weitgehend durch Baustellenmatsch, ist das Gelände heute ein richtiger kleiner funktionierender Stadtteil geworden, an dem die Leute auch gern wohnen. wenn man sie fragt. Nicht umsonst wurde das Projekt unweit der Wissenschaftsstadt mit Univerität und Fachhochschule verwirklicht, um den dort Beschäftigten in fußläufiger Erreichbarkeit interessanten Wohnraum anzubieten. Man ging davon aus – und lag damit bestimmt nicht falsch – dass unter Wissenschaftlern die Akzptanz moderner Architektur ausgeprägter ist als beim Rest der Bevölkerung. Diese kamen (und kommen) nach wie vor zum Spazieren und Staunen und es gibt immer noch Spötter, die sich über die „häßlichen Dächer“ mit ihren Solaranlagen mokieren, aber spätestens beim Blick auf die eigene Heizugsabrechnung werden diese dann schnell zu Neidern.
Wer selbst einmal in einem Passivhaus mit geregelter Be- und Entlüftung gewohnt hat (um nur einen wirklich sehr angenehmen Wohnaspekt zu erwähnen), will es nicht mehr anders. (Ich weiß, wovon ich rede).
Die Exposiedlung „Sonnenfeld“ hat sicher auch maßgeblich dazu beigetragen, dass Ulm im Jahr mit dem ausgezeichnet worden ist.
Für alle, die sich für dieses Thema interessieren, gibt es unter folgendem Link eine sehr schöne, allgemein verständliche Abhandlung nicht nur zu diesem Thema, sondern auch zu Passivhäusern überhaupt.
http://www.solarstiftung.de/www/SolarInfo/Solares%20Bauen/Handbuch.pdf
Anregende Lektüre wünscht
Erwin Hutterer
Bildquelle: © 1995 – 2005 Solarstiftung Ulm / Neu – Ulm
November 23, 2010 at 4:23 pm
Ich habe den Vortrag mit großem Vergnügen verfolgt. Prof. Hauptmeyer hat es mit glänzender Rethorik verstanden, seine Zuhörer in den Bann zu ziehen. Vielleicht hat dies meinen Blick dafür getrübt zu verstehen, inwieweit die Expo einen Modernisierungsschub für Hannover gebracht hat. Dies wird zweifelsfrei der Fall sein; aber m. E. hat Herr Hauptmeyer zu viel über historische Entwicklungen referiert u. für mich den Kontext zum Thema Expo zu wenig ausgearbeitet. Dies ist jetzt ergänzend erfolgt und nachzulesen in der pdf-Datei als Kurzstudie der NORD/LB Regionalwirtschaft. Hier sind die Zahlen genannt, die die Nachhaltigkeit der Expo auf die Stadt Hannover erläutern.
Mich würde interessieren, wie andere Zuhörer des Vortrags dies sehen.
November 23, 2010 at 7:30 pm
Ich fand den Vortrag auch sehr unterhaltend und habe aufgrund der anschließenden Diskussion mit den Senioren/-innen und Schüler/-innen nochmal genauer nachgesehen, was den die Zielsetzung der EXPO2000 war und inwieweit sie eigentlich den Anspruch hat, die Entwicklung der Expo- Stadt/Region zu beeinflussen.
Die Zielsetzung der Expo 2000 als eine „Expo neuen Typs“ war es, die Herausforderungen, Chancen und Risiken des neuen Jahrtausends im globalen Diskurs zu erörtern und innovative und zukunftsfähige Ideen rund um das Motto „Mensch, Natur, Technik – eine neue Welt entsteht“ aufzuzeigen. Dabei sollte die Expo dem Leitbild der Nachhaltigkeit (sustainable development) entsprechen. So wurde erstmals in der Geschichte der Weltausstellungen darauf verzichtet, „… für die EXPO eine Siedlungsfläche völlig neu zu erschließen; vielmehr entschloss man sich, das bereits bestehende Messegelände Hannovers zu modernisieren und zu erweitern.“ (Kaiser 2000). Das innovative Konzept bezog sich vor allem auf den Themenpark und die Regionalisierung der EXPO mittels weltweiter Projekte und eines Korrespondenzstandortes, der sachsen-anhaltinischen Region Dessau-Bitterfeld-Wittenberg. Zielsetzung dieser Regionalisierung war es, über den Standort Hannover und über die Dauer der Expo hinaus zu wirken und Projekte an konkreten Standorten umzusetzen. Inwieweit das gelungen ist, wäre spannend zu diskutieren. Vielleicht hilft da die konkreten Betrachtung von Beispielen und Projekte aus der Expo 2000 weiter. Ich bin gespannt und hoffe auf weitere Beispiele!
November 24, 2010 at 11:36 am
Ich lebe in Hannover und habe im Jahr 2000 von Januar bis Dezember auf dem EXPO-Gelände bei der EXPO-Gesellschaft gearbeitet. Ich kann dem Vortrag von Prof. Hauptmeyer voll zustimmen, möchte aber ergänzend näher auf die Folgen für die Stadt und Region Hannover eingehen.
Literatur: EXPO 2000 – die Firma (Geschichte eines Unternehmens), Carl – Hans Hauptmeyer aus dem Jahr 2002; Regionalwirtschaftliche Effekte der EXPO 2000 – eine Schlussbilanz, herausgegeben von Nord/LB, Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, Universität Hannover Geographisches Institut Wirtschaftsgeographie, Hannover Region.
Für Interessierte sei noch auf die Broschüre Architektur mit Stahl zur Weltausstellung EXPO 2000, Dokumentation 554 des Stahl-Informations-Zentrum Postfach 104842, 40039 Düsseldorf hingeweisen
Zur Erinnerung: Die Weltausstellung im Jahr 2000 verstand sich als Weltausstellung neuen Typs! Unter dem Leitthema „Mensch – Natur – Technik“ zeigte sie Möglichkeiten auf, wie wir die ökologischen und ökonomischen Herausforderungen der Zukunft annehmen können. Wenn wir diese Herausforderungen meistern wollen, müssen wir eine Balance finden zwischen den Bedürfnissen, Lebensentwürfen und Hoffnungen einerseits und den begrenzten Ressourcen der Natur andererseits. Die Technik kann dazu neue praktikable Lösungsvorschläge anbieten. Sie ist das Ergebnis jener Ressource, die uns in unbegrenztem Umfang zur Verfügung steht: der menschlichen Kreativität und Phantasie. Inhaltlich orientierte sich die Ausstellung am Leitthema „Nachhaltigkeit“, das sich dem Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert, den Zielsetzungen der „Agenda 21″ verpflichtet fühlt.
Daraus ergaben sich die 4 Säulen der EXPO:
– Schau der Nationen
– Themenpark mit dem Teil „Planet of Visions“
– Weltweite Projekte
– das Kunst- und Kulturprogramm
Es soll hier nicht auf die regionalökonomische Wirkung, also Wertschöpfung und Beschäftigung und schon gar nicht auf auf betriebswirtschaftliche Aspekte der EXPO 2000 Hannover GmbH oder anderer beteiligter Partner eingegangen werden, die leider viel zu wenig bekannt sind. Lediglich die Schlussbemerkung aus dem Vorwort der Regionalwitschaftlichen Schlussbilanz soll darauf hinweisen, dass neben der inhaltlichen, qualitativen sehr positiven Bewertungen auch eine abschließende wirtschaftliche Bilanzierung durchaus positiv zu sehen ist.
Zitat: „eine Schlussbemerkung sei allerdings erlaubt: Aufgrund der langjährigen Beobachtung der Investitionsplanungen zur Vorbereitung und Durchführung der Weltausstellung in Hannover kann festgehalten werden, dass die früh genannten Kostenansätze durchweg eingehalten werden mkonnten. Vielfach wurden (offenbar durch die schwache Baukonjunktur unterstützt) sogar Planansätze unterschritten und / oder Fertigungstermine vorgezogen; ein für eine Großveranstaltung dieser Art durchaus bemerkenswertes Ergebnis, das aber in der Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen wurde.
Nun zu den städtebaulichen Auswirkungen bzw. einzelnen Projekten als Folge der EXPO 2000 für Hannover und das Umland.
1. Auswahl des Ausstellungsgeländes
Nach der Entscheidung für Hannover musste die Stadt ein geeignetes Gelände finden. Folgende Möglichkeiten wurden geprüft:
– Suche nach einem neuen, bislang freien Gelände (Probleme: Lage, Eigentumsverhältnisse, Bau von
Versorgungs- und Entsorgungsinfrastruktur, Verkehrsanbindung )
– EXPO am Wasser (wie im Jahr 1913 in Gent, wo entlang der Leie die Ausstellung stattfand, in
Anlehnung an die innerstädtischen Gewässer Maschsee, Leine, Ihme und Mittellandkanal.
Zuletzt entschied man sich ganz bewußt – auch im Hinblick auf das Leitthema und besonders die Nachhaltigkeit für den intelligenten Einfall das vorhandene Messegelände zu nutzen (Problematik dabei: Die Vorbereitungsarbeiten mussten so gestaltet werden, dass der Betrieb aller Messen in den Jahren vor der EXPo weiterlaufen konnte und insbesondere im Jahr 2000 CEBIT und Industriemesse noch in vollem Umfang durchgeführt werden konnten und nur wenig Zeit für die Umstellung auf die Weltausstellung vorhanden war. Eine planerische Meisterleistung.
Zusätzlich wurde auf freiem Gelände der anschließende Teil „Ost“ entwickelt, der jetzt im nördlichen Teil von der Fachhochschule Hannover, Fachbereich III, Medien, Information und Design genutzt wird. Mit dieser Maßnahme konnten die teilweise über die Stadt verstreuten Gebäude der Hochschulen durch „Stühlerücken“ besser zusammengeführt werden, so dass jetzt die einzelnen Hochschulen oder Fachbereiche über geschlossene Areale verfügen.
Dadurch erhielt Hannover im Jahr 2000 das modernste Messegelände der Welt, ökologisch veränderte Messehallen, moderne Kommunikationstechnik und eine leistungsfähige Verkehrsanbindung.
2. Straßenbau
Hannovers Straßen wurden ausgebaut, Kunstbauten wie Brücken und Unterführungen (z.B. Kreuzung am Pferdeturmkreisel) gebaut, was Hannover alleine nie hätte leisten können.
3. Öffentlicher Personennahverkehr
Eine völlig neue Stadtbahnlinie wurde aus der Innenstadt über ein neues in der Nähe des EXPO-Gelände gelegenes Wohngebiet zum neu geschaffenen Ostteil des EXPO-Geländes geschaffen.
Der Großraum Hannover erhielt erstmalig ein sehr leistungsfähiges S-Bahnsystem. Dabei wurde der bis dahin nur mit Taxi oder einem Bus erreichbare Flughafen Hannover / Langenhagen an Stadt und Messegelände angeschlossen.
Das Messegelände erhielt auf der ICE-Strecke Hannover Würzburg einen eigenen „EXPO-Bahnhof“ mit direkter Zuwegung über ein Laufband zum Messeingang West. Dieser Bahnhof wird weiter für alle Messen genutzt.
4. Ein neuer Stadtteil, die Kronsbergsiedlung ist entstanden
In der Nähe des EXPO-Geländes Ost“ ist eine völlig neue Ansiedlung entstanden. Planung und Ausführung wurden durch die Leitideen der EXPO bestimmt, es wurde also sowohl bei Planung der Siedlung, wie auch beim Bau der Häuser auf ökologische Gesichtspunkte geachtet..
Städteplanerisch wurde z.B. darauf geachtet, dass Regenwasser durch ein „Mulden – Rigolen – System in der Siedlung am Hang versickern kann – also dem Boden wieder zugeführt wird – und nicht durch die Kanalisation weggeführt wird und dann einen anderen Bereich der Stadt (Seelhorst) durch Hochwasser gefährdet.
Besonders interessant jedoch ist nicht nur die Bauweise sondern auch der menschliche Aspekt. Hier hat man sich, auch angeregt durch die EXPO-Vorgaben, sehr viel Gedanken über das Zusammenleben der zukünftigen Bewohner gemacht und auch deren kulturellen Bedürfnisse berücksichtigt. Dies reicht bis in die Gestaltung der Wohnungen für Bewohner aus Islamischen Herkunftsländern, wobei deren Wohnkultur und Raumgestaltung, besonders die Trennung von WC und Waschräumen Berücksichtigung fanden. Auch soziale Einrichtungen wurden von vornherein eingeplant und die Bürger beteiligt. Nach meiner Kenntnis ist dies inzwischen ein recht lebendiger, interessanter moderner Stadtteil geworden. Moderne, anspruchsvolle, in die Zukunft gerichtete Arbeitsplätze wurden in unmittelbarer Nähe geschaffen.
Nach meiner Auffassung ein gutes Beispiel für Stadtentwicklung als Folge der EXPO.
5. Stadt als Garten
Die ausgeschriebenen Weltweiten Projekte mussten selbstverständlich auch in Hannover und der Region Wirkung zeigen.
Man entschloss sich in dem ohnehin schon „grünen Hannover“ vereinzelte nicht zugängliche oder vergessene Grünbereiche miteinander zu verknüpfen und unter dem Motto „Stadt als Garten“ einenzusammenhängenden grünen Bereich zu schaffen. Insbesondere wurden dabei auch wieder nicht zugängliche Bereich an den innerstädtischen Flüssen und vor allem auch beide Ufer des Mittellandkanals neu gestaltet und für Spaziergänger und Radfahrer ausgebaut. Um das EXPO-Gelände OST wurde eine landwirtschaftlich wenig attraktive Fläch bis hin zum Neubaugebiet Kronsberg als Park entwickelt. In 30 Jahren werden unsere Nachfahren davon profitieren und sich an der Pracht der Bäume und Stäucher mehr erfreuen als die derzeitige Generation.
Weiter im Westen – auch in Nähe des Messegeländes – wurde in Laatzen der „Park der Sinne“, ein schöner, moderner Park mit Bäumen, Pflanzen, Steinen und Installationen im Zuge dieses Programms errichtet, der gerne von den Bürgern angenommen wird.
Unabhängig davon ist etwa zur gleichen Zeit im Norden (ob als Teil des Programms oder als eigene Erfindung, ist mir nicht bekannt, aber die Zeit ist interessant!) ein weiteres Geländestück zwischen Langenhagen und Isernhagen, unmittelbar am Stadtrand von Hannover gelegen, als Park entwickelt worden.
Somit kann man sich heute kilometerweit im Grünen durch Hannover und aus der Stadt hinaus zu Fuß oder mit dem Fahrrad bewegen, ohne überhaupt etwas von der Großstadt Hannover zu bemerken. Das ist Lebensqualität!
6. Einzelprojekte
Als ein Beispiel der Kulturgeschichte des Bauens wurde uns das Bauen mit Glas und Stahl auf dem EXPO-Gelände vorgeführt. Experimentelles und phantasievolles Bauen erbrachte ungewöhnliche Lösungen und zeigte den hohen Stand der Technik von heute. Kühne und ungewöhnliche Lösungen wurden gefunden, die ästhetisch und technisch in Neuland führten.
Es blieb nicht aus, dass dies auch Einfluss auf das Bauen in Hannover hatte. Beispiele hierfür sind die Gebäude um den Ägidientorplatz (ÄGI), der hohe Neubau aus Glas der Nord LB und ein gläsernes „Torhaus“ haben den Platz völlig verändert. Weitere Einflüsse sind zu erkennen bei der Ernst-August Galerie am Bahnhof und weiteren „Torhäusern“ am Leibnizufer auf dem Weg zur Universität. Besonders mutig auch, das im Zuge der Weltausstellung erbaute „INI“ Neuro Science Centre von Prof. Sami, das Äußere des Gebäudes – wieder Glas und Stahl _ spiegelt wieder, was im Inneren getan wird: Forschung und Operationen am menschlichen Gehirn.
Zusammenfassend glaube ich, dass zwar unser in der Geschichte gewachsenes Stadtbild sich nicht grundsätzlich verändert hat, aber dass wir Bürger, einschließlich der Stadtverwaltung eine zwar kleine, aber doch nicht unbedeutende Richtung genommen haben für die Weiterentwicklung und Gestaltung der Stadt im 21. Jahrhundert.
Reinhold Hufnagl
November 24, 2010 at 3:30 pm
Hier melde ich mich noch einmal. Der Vollständigkeit halber muss ich noch hinzufügen, dass in einem Bereich sich die Erwartungen der Stadt nicht erfüllt haben. Der Ostteil (das ist der neu geschaffene Geländeteil im Osten des alten Messegeländes) sollte neben der Nutzung für die Fachhochschule als „Filetstück“ für hochwertige Industrieansiedlung genutzt werden. Gerade durch die Nähe zur Messe versprach man sich eine gute Nutzung. Leider haben nur wenige Firmen angebissen. Viele Flächen stehen leer und manch wunderbarer EXPO-Pavillon trauert so vor sich hin, so z.B. der niederländische Pavillon oder Pavillon von Litauen. Auch der schöne Bau des Jemen, der einen Nachnutzer gefunden hatte, musste jetzt wegen dessen wirtschaftlichen Schwierigkeiten abgerissen werden.
Dennoch: BMW hat den ehemals französischen Pavillon und die Postbox übernommen, der finnische Bau ist genutzt. Der bekannte DJ Mousse T hat den belgischen Pavillon gekauft und dort sein Studio und seine Produktion untergebracht. Mittlerweile ist IKEA mit einem großen Verkaufshaus – einem Neubau auf das Gelände gezogen und der WAAL, der Pavillon der evangelischen Kirche wird intensiv genutzt für Gottesdienste besonderer Art, Abendveranstaltungen und Vorträge.
Und dann habe ich die große Halle auf diesem Gelände für 14.000 Besucher und die davor gelegene EXPO-Plaza vergessen zu erwähnen. Wenn es auch immer wieder einmal Unstimmigkeiten mit den derzeitigen Hallenbetreibern gibt, aber für uns Hannover wurde damit ein Veranstaltungsort geschaffen in dem Großveranstaltungen wie neulich „Wetten das?“, Konzerte, unsere nEishockeymannschaft und vieles andere mehr abgehalten werden können, ebenso wie Open Air Veranstaltungen auf der Plaza davor.
Es geht schon. Aber dieser Geländeteil sieht eben etwas traurig aus und die Stadt wünscht sich eine bessere wirtschaftliche Nutzung.
Aber als Gewerbegebiet mit Metro, Tankstelle, Supermärkten etc. soll es nicht genutzt werden, was ich gut finde. Hoffentlich hält die Stadtverwaltung diese Politik durch.
Reinhold Hufnagl
November 24, 2010 at 6:56 pm
Zunächst möchte ich mal etwas polemisch fragen: Und für dieses Ergebnis braucht man solch ein Großereignis, eine anspruchsvolle Weltsausstellung, die ja den Anspruch von Weltgeltung hat? Reichte nicht simple Wirtschaftsförderung bzw. die Notwendigkeit der Modernisierung des Messestandortes und der Verkehrsinfrastruktur? Und dass Hannover jetzt eine direkte Verbindung vom Flughafen zum Messegelände hat erinnert mich daran, dass Stuttgart die neue Messe neben den Flughafen gebaut hat und eine Verbindung zur Innenstadt ohne EXPO bewerkstelligen muß …
Ich möchte aber noch einmal zurückkommen auf die Zeit der Entscheidungsfindung in Hannover. In der Beilage „Aus Politik und Zeitgeschichte“ zu diesem Thema ist zu lesen:
„Die Idee zur Ausrichtung einer Weltausstellung am Standort Hannover war Ende der Achtzigerjahre aufgekommen, als sich der Aufsichtsrat der Deutschen Messe AG zusammen mit der damaligen niedersächsischen Finanzministerin Birgit Breuel und Hannovers Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg vor dem Hintergrund des zunehmenden Konkurrenzdrucks in der westdeutschen Messelandschaft Gedanken um die Zukunft des fast 50 Jahre alten Messestandortes Hannover machte [5] . “
Und etwas weiter: „… und zudem Maßnahmen der Wirtschaftsförderung für den aufgrund des Süd-Nord-Gefälles zunehmend strukturschwachen Norden dringend erforderlich seien [6] . “
Hat sich dieses Ziel, das ja nicht das einer Weltausstellung ist, zumindest erreichen lassen? Was also ist aus dem Thema Mensch – Natur – Technik geworden? Stahl und Glas als neuem, prägenden Baustil hat nicht von Hannover seinen Ausgang genommen. Vielleicht am ehesten noch die Passivhaus-Technik? Interessant fand ich die neuen Wohnformen im neuen Stadtteil Kronsberg. Aber hat dies eine Fortsetzung gefunden, hat man bei Sanierungen oder Neubauten in der Stadt dies übernommen?
Die Auswahl des Ausstellungsgeländes ist natürlich auf die „Idee“ hin getroffen, die Messe sollte gefördert werden. Intelligent ist das nicht bezogen auf die Nachhaltigkeit einer Weitausstellung, die doch mehr sein will, als ein Wirtschaftsförderungsprogramm. Da hätte man sich lieber z.B. an Gent gehalten.
Hannover war eigentlich schon immer recht grün, seiner Lage und geringeren Größe sei Dank. Neu ist die Idee der „Stadt als Garten“ auch nicht. Allerdings hätte die Verbindung von Pavillonen und Parkanlage sicherlich mehr gebracht als ein IKEA-Kaufhaus – Industriedesign mit Parkplatz! Oder die Nutzung der Pavillone durch die Hochschule und das dann verknüpft mit den Veranstaltungshallen, hätte das EXPO-Gelände sicherlich dauerhafter belebt und eine neue Form der Stadt aufgezeigt. Jetzt erscheint es doch eher wie eine traurige Industriebrache. Das zu verhindern hätte Städtebaugeschichte geschrieben werden müssen – ein neues Zusammenleben von Mensch – Natur – Technik.
Damit komme ich zu meiner eigentlichen Überlegung, die schon gleich nach dem Vortrag aufkam: Kann eine Weltausstellung mit der oben genannten Zielsetzung der „Wirtschaftsförderung“ überhaupt Stadtgeschichte verändern? Und wohin sollte sie sich verändern? Wirtschaftsförderung eben im Einklang mit Mensch – Natur – Technik. Die EXPO 2000 erscheint mir aber doch eher ein Konglomerat von Einzelprojekten zu sein. Das Thema „Mensch – Natur – Technik“ ist doch insgesamt eher ohne inhaltliche Ausfüllung. Auf Dauer hat es sich in Hannover nicht etabliert, das Messegelände ist geblieben, was es immer war, einige wenige Einzelprojekte ohne Strahlkraft und neue ungenutzte Industrieansiedlungsflächen.
Bezogen auf stadtgeschichtliche Veränderungen kann man bezüglich Hannover im Vergleich mit anderen großen Weltausstellungen nur sagen, nein, die EXPO Hannover reichte nicht an Brüssel, Paris oder Barcelona heran. Ob das aber nun an Hannover und seiner Idee oder aber auch an den Zeiten gelegen hat, vermag ich nicht so ganz zu beantworten. Hannover wird man außerhalb Deutschlands kaum mehr mit der Weltausstellung in Verbindung bringen. Und vielleicht wäre das Thema in Hongkong auch besser aufgehoben gewesen?
Schließen möchte ich nochmals mit ein wenig Polemik: Hat Hannover mit der EXPO 2000 wenigtsens das Ziel erreicht, sich in seinem Konkurrenzkampf mit anderen Messestandorten zumindest zu behaupten?