Wird es einen „Kampf der Kulturen“ geben? Über die Aussichten von Globalisierung und Interkulturalität für den Weltfrieden im Anthropozän

Mittwoch 03.05.2023
16:00 – 18:00 Uhr

Prof. Dr. Hans Friesen, BTU Cottbus – Senftenberg, Kulturphilosophie

Im Jahre 1996 überraschte der US-amerikanische Politikwissenschaftler Samuel Huntington in seinem Buch Kampf der Kulturen mit einer sehr einprägsamen aber gleichwohl grob vereinfachenden Weltformel. Diese besagt, dass nach dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr ‚politische Ideologien‘, sondern nunmehr „Kulturen“ die Ordnung der Welt bestimmen würden. Obwohl diese These von wissenschaftlicher Seite frühzeitig massiv kritisiert wurde, ist sie trotzdem zum festen Bestandteil der öffentlichen Diskussion weltweit geworden. Doch die gewissenhaftere Deutung der Geschichte zeigte, dass sich die Welt seit dem Zweiten Weltkrieg mit ihrem bipolaren Aufbau zwar ab den 1980er Jahren in eine mit multipolarer bzw. multikultureller Struktur geändert hat, doch diese Struktur ist in Bewegung und ändert sich weiter. Sie verweist auf ‚kulturelle Muster‘, die mit unseren unterschiedlichen Menschenauffassungen in Verbindung stehen und jeweils auf ungelöste Gerechtigkeitsprobleme in den internationalen Beziehungen deuten. In dieser Perspektive bleiben die Nationen weiterhin, wenn auch durch die ökonomische und technologische Globalisierung geschwächte Hauptakteure im Weltgeschehen und werden in unterschiedlichen Koalitionen wirtschaftspolitisch wie militärisch agieren, um Macht und Einfluss zu behaupten oder zu vergrößern. Nun kann man aber aus dieser Auffassung nicht nur einseitig schlussfolgern, dass es vor allem an den zahlreichen „Frontlinien“ oder „Bruchlinien“ der Kulturkreise, wie Huntington meinte, zu den in Zukunft drohenden Konflikten kommen wird, denn einige Kritiker nehmen gleichzeitig an, dass man dem begegnen kann, wenn der Westen diesen gefährlichen Kampf frühzeitig mit einem gezielten bzw. klugen „Dialog der Kulturen“ zu verhindern versucht. Allerdings kann das nicht gelingen, wenn man sich diesen Dialog, wie einige politische Hardliner es heute verstehen, als strategische Verhandlungen zur Erlangung guter Beziehungen etwa mit Korea, Japan und Australien vorstellt, der beansprucht wird, um die „Interessen des Westens“ gezielt durchzusetzen sowohl im Nahen und Mittleren Osten als auch vor allem gegenüber jenem ökonomisch wie militärisch rasch aufsteigenden konfuzianisch-kommunistischen „Reich der Mitte“ im Fernen Osten.

Voransicht des Videos Menschenbilder mit Prof. Friesen

Aufzeichnung des Beitrags bei Youtube:
https://youtu.be/eAFb3mqRdv4

Prof. Dr. Hans Friesen

Prof. Dr. Hans Friesen

Hans Friesen, Prof. Dr. phil. habil., war Leiter des Arbeitsgebiets für Kulturphilosophie am Studiengang „Kultur und Technik“ und außerplanmäßiger Professor für Philosophie an der BTU Cottbus. Er studierte Philosophie, Germanistik und Kommunikationswissenschaften an der Ruhr-Universität in Bochum. Promotion in Bochum, Habilitation in Potsdam.